Mrz 242019
 

Nach den Strapazen des Belutschistan Transits genießen wir die erste Nacht in einem richtigen Hotelzimmer auf echten Matratzen und mit einem Badezimmer mit heißer Dusche UND funktionierender Toilettenspülung.
Soviel Luxus hatten wir lange nicht.
Der Grenzübergang war auf Iranischer Seite etwas chaotisch. Viele „Beamte“ von denen kaum jemand zu arbeiten schien, aber jeder irgendwie mal unseren Pass in Händen halten wollte, um dann meist komplett gegensätzliche Anweisungen zu geben. Als uns irgendwann Hamid vom örtlichen Tourismus-Department entdeckt, unterstützt er uns bei unserer Einreiseprozedur. Ob es dadurch weniger chaotisch wird, kann ich nicht so recht beurteilen, aber zumindest versteht er Englisch und kann dolmetschen.  Durch die folgenden Checkpoints kommen wir so auch immerhin ohne iranische Militäreskorte, da Hamid uns begleitet. In Zahedan bringt er uns dann erstmal in das örtliche Tourist Hotel und dann zu einem Imbiss. Frühstück hatten wir heute noch keines und es ist bereits Nachmittag. Für die Vegetarier in unserer kleinen Gruppe gibt es allerdings fürs erste nur Reis mit gegrillten Tomaten. Für die anderen Kebab und Hühncheneintopf. Das restliche Tagesprogramm besteht dann aus Geld wechseln – am heutigen Freitag haben die offiziellen Wechselstuben geschlossen – Handy Sim besorgen, tanken fahren – etwas außerhalb der Stadt bekommen Touristen gratis! eine Tankfüllung – und einem Besuch auf dem Basar, wo Suse ein Kopftuch ersteht. Hier im Iran sollten Frauen, auch Touristinnen, ihren Kopf bzw. ihre Haare bedecken.

In unser Zimmer dürfen wir aber immer noch nicht, da wir auf hohen Besuch warten. Hamids Chef, der „Tourismus-Minister“ der Provinz Sistan Belutschistan möchte uns noch zum Abendessen einladen. Hier im Hotel treffen wir auch auf Irina, eine Russin, die gemeinsam mit ihrem Hund in einem einfachen PKW die Welt bereist und über ihre Abenteuer auf der russischen Forbes Seite bloggt. Sie campiert hier schon seit einigen Tagen auf dem Hotelparkplatz und versucht ein Visum für Pakistan zu bekommen. Dieses ist zwar grundsätzlich nur im Heimatland erhältlich, aber sie ist zuversichtlich es doch irgendwie zu bekommen.
Am nächsten Morgen laden wir noch Kathleen und Steven, die auch auf dem Hotelparkplatz übernachtet haben, in unsere Luxus-Dusche ein und machen uns dann auf den Weg nach Bam.

Zuerst müssen wir uns aber umstellen. Im Iran wird wieder rechts gefahren und es scheinen gänzlich andere Verkehrsregeln zu gelten als in den Ländern zuvor. Auf den Straßen sind zwar weniger Fahrzeuge unterwegs, diese sind aber schneller und rücksichtsloser als in Indien oder Pakistan. Spurwechsel erfolgen plötzlich, aus Seitenstraßen wird ziemlich flott und ohne zu schauen auf die Hauptstraßen gefahren und wie die Regeln in Kreisverkehren sind bleibt mir ein Rätsel. Egal wieviele Spuren der Kreisel hat, alle fahren erstmal auf die innerste Spur, auch wenn sie zur nächsten Ausfahrt rauswollen und wenn sie sich dafür querstellen müssen. Uns als Indien Veteranen kann das natürlich nicht besonders beeindrucken, aber in seiner Aufmerksamkeit sollte man hier keine Sekunde nachlassen. In Indien fahren zwar alle anarchisch, aber es schauen alle aufeinander, hier schaut keiner.

Außerorts ist das ganze dann ein bisschen anders. Hier fährt jeder so schnell er kann. Besonders die LKW sind nicht unter 100km/h unterwegs. Das ist eine Umstellung zu Indien und Pakistan, wo kaum mal jemand über 80 unterwegs war. Dafür sind die Straßen hier im Iran aber auch in einem ausgezeichneten Zustand. Die Überland-Straßen sind autobahnähnlich ausgebaut. Allerdings verläuft die Gegenfahrbahn auch mal einen Kilometer entfernt, weswegen man schnell mal vergisst, ob man beim Überholen gerade mit Gegenverkehr rechnen muss.
Landschaftlich ist nicht viel geboten. Karge Wüste, Steine und in der Ferne rechts und links Berge. Bis auf den Schnee hatte ich mir den Iran auch so oder so ähnlich vorgestellt. Nur etwas wärmer vielleicht, aber es ist ja auch noch Winter. Hier ist es zwar wärmer als die letzten Tage in Pakistan, aber ins Schwitzen kommen wir noch lange nicht. Wir kommen gut vorwärts und haben am Anfang auch noch Rückenwind. Für unsere luftgekühlten Motorräder sind da die niedrigen Temperaturen gar nicht so schlecht.
Als der Wind, bzw die Straße allerdings die Richtung ändert, merken wir erst wie kräftig der Wind mittlerweile bläst. Die Böen von der Seite sind um so spannender wenn uns LKW überholen und die Schleppwirbel rütteln uns ganz schön durcheinander. Langsam erinnert das ganze an Patagonien und wir haben Mühe auf der Straße zu bleiben. An stehen bleiben ist längst nicht mehr zu denken. Bei dieser Windstärke könnten wir im Stand die Moppeds nicht mehr halten und anfahren könnten wir schon gar nicht mehr.
Zusätzlich zum Wind ist auch mal wieder Sand in der Luft, der schlierenförmig über die Straße geblasen wird.  Noch nicht all zu viel, so wie die letzten Tage halt auch hin und wieder. Mist, denke ich, da ich mir nicht sicher bin, ob ich meine Spiegelreflex im Seitenkoffer diesmal ordentlich in die Plastiktüte eingewickelt habe. Vorgestern konnte ich da ganz schön Sand rausschütteln. Wasserdicht waren unsere Alu Boxen zwar bislang, allerdings konnten wir Regen auch meist erfolgreich vermeiden. Abgesehen davon läuft Wasser höchstens aus einer Richtung in die Kisten rein und wird dann von irgendwas aufgesaugt, oder sammelt sich am Boden. Sand hingegen wird in jede kleinste Ritze getrieben. Eigentlich erstaunlich, wo wir den nach dem letzten Sandwind überall gefunden haben, wenn man bedenkt dass der Kisteninhalt z.T. recht gut gepresst ist. Ändern kann ich es jetzt aber eh nicht mehr.  Anhalten fällt aus und selbst wenn es möglich wäre, bei dem Wind den Deckel aufmachen wäre ebenfalls kontraproduktiv. Um die Knipse im Tankrucksack mache ich mir auch ein wenig Sorgen, die sollte zwar ebenfalls zweifach eingepackt sein, aber der Tankrucksackreißverschluss lässt sich schon monatelang nicht mehr gescheit schließen und daher klaffen da schon mal einige Lücken, die der Sand sicher gnadenlos ausnützen wird.

Erst letzte Woche hatte ich in den News gelesen, dass die Schulen hier in der Gegend wegen Sandsturm für einige Tage geschlossen waren. Was für Memmen, denke ich mir noch, als der Wind nochmal deutlich auffrischt.
Die Sicht wird zunehmend schlechter und plötzlich ist es vorbei mit den bodennahen Sandverwirbelungen.
Der Sand ist plötzlich überall und wir fahren im dichten Nebel.
Unsere Geschwindigkeit haben wir so weit wie möglich gedrosselt. Langsamer können wir aber nicht ohne umzufallen, da wir uns seitlich immer wieder gewaltig gegen den Wind lehnen müssen. Selbst die LKW haben mittlerweile aufgehört uns zu überholen und so fahren wir am Mittelstreifen entlang um eine Orientierung zu haben. Die Leitpfosten und den Straßenrand können wir kaum noch erkennen. Inzwischen ist es auch nicht mehr nur Sand was da durch die Luft gewirbelt wird. Immer größere Steinchen sind jetzt mit von der Partie und dementsprechend hört es sich im Helm auch an. Da diese Steinchen nicht nur von außen gegen den Helm geblasen werden, sondern auch zwischen Gesicht und Visier herumwirbeln, ergibt das eine Geräuschkulisse wie Legosteine in einem Dyson Sauger.  Die Luft is inzwischen gewissermaßen zum Schneiden und mir fällt ein, dass ich erst gestern gelesen habe, dass vor wenigen Jahren bei einem schweren Sandsturm einige Menschen erstickt sind.  Keine schöne Vorstellung!
Nach knapp einer halben Stunde ist der Spuk dann so schnell vorbei wie er angefangen hat. Der Wind lässt nach und die Sicht wird etwas besser.  Viel besser allerdings erstmal nicht, dafür ist mein Visier zu undurchsichtig und abwischen lässt sich der Staub irgendwie nicht so recht. Als ich versuche mein Visir zu öffnen scheitere ich erst einmal. Zu viel Sand in der Mechanik! Super, denke ich mir. Helm abziehen ohne die Brille vorher absetzen zu können – das wird interessant. Aber mit viel Geduld und Genackel geht das Visier irgendwann auf. Die Schnalle am Helmgurt allerdings noch lange nicht. Auch da ist der Drück Mechanismus komplett blockiert. Suses Helm mit Doppel-D Verschluss ist da deutlich einfacher zu öffnen und so kann sie mir aus meinem Gefängnis heraushelfen.
Putzen lässt sich das Visier aber leider auch nicht mehr. Es ist übersät mit kleinen Kratern und völlig zerkratzt. Dafür sind die Motorräder blitzeblank poliert. Sandgestrahlt halt, wobei ich überrascht bin, dass der mühsam gepflegte Dreck überhaupt weg ging. Allerdings ist nicht nur der Dreck weg. Selbst von den Aufklebern auf unseren Kisten hat es die Druckfarbe abgeschmirgelt und am meisten bin ich überrascht, dass sogar die Pulverbeschichtung und Eloxierung von einigen Metallteilen arg gelitten hat.


Lange verschnaufen trauen wir uns allerdings nicht, da hinter uns der Sandsturm lauert und wir nicht von ihm eingeholt werden wollen und so schauen wir, dass wir nach Bam kommen.
Aufnahmen gibt es leider keine, die Gopro war zwar auf dem Helm, aber der Akku ist natürlich leer, bevor es so richtig losgeht.

Nach dem schweren Erdbeben von 2003 ist vom ursprünglichen Bam zwar nicht mehr viel übrig, aber wir hatten gehört, dass es sich trotzdem lohnen würde. Allerdings ist es uns erst einmal viel zu kalt und verregnet um die Stadt zu erkunden und so lecken wir erst einmal unsere Wunden, entsanden unsere Motorräder. Hupe, Zündschloss, Blinkschalter, Luftfilter, Killschalter, Kistenschlösser, Reißverschlüsse -all das lässt sich nicht mehr betätigen und so sind wir eine Weile beschäftigt. Außerdem versuchen wir, unsere Visiere wieder durchsichtig zu bekommen.  Wer jetzt meint, die paar Kratzer könne man doch mit Zahnpasta rauspolieren, den müssen wir enttäuschen. So einfach ist das leider nicht und die Mikrokratzer, bei denen das evtl funktioniert, würden uns vmtl gar nicht weiter stören. Wir besorgen uns nach ausführlicher Recherche jedenfalls 2000er Nassschleifpapier und entfernen erst einmal die arg zerfurchte „Antikratzbeschichtung“ auf unseren Visieren und polieren das ganze dann mit einer extrafeinen Autopolitur nach.

Das machen hier in dieser Wüstengegend die Einheimischen bei ihren Kunststoff-Scheinwerfern übrigens öfter mal genauso, wie wir uns sagen lassen.  Das Ergebnis ist zwar beachtlich, aber ohne schweres Gerät und Spezial-Kunstoff-Politur wird das wohl nicht wirklich wieder richtig gut werden. Auch die Idee, die Visiere nach dem polieren noch mit Klarlack versiegeln zu lassen verwerfen wir. Durch Nationalfeiertag und Wochenende haben wir hier schon genug Zeit verbracht und das Lackieren würde noch ein zwei Tage dauern, da das ganze ja noch trocknen müsste und mein Visier bekomme ich mit dem ganzen Sand in der Mechanik eh nicht vom Helm weg.

Von der Idee nach Kerman und in die Lut Wüste zu fahren verabschieden wir uns auch. Von Sand haben wir fürs erste genug und auf das Mistwetter hier in der Gegend haben wir auch keine Lust mehr und so planen wir um und fahren nach Süden Richtung persischem Golf.
Solang das Wetter mitspielt ich halt mit offenem Visier und Suse mir im „Nebel“ hinterher.

 

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