Nov 152018
 

Nach den Strapazen der letzten Tage sind wir ganzschön ausgelaugt und so bleiben wir einige Tage in Manali.  Hier ist es zwar extrem touristisch aber wir fühlen uns wohler als in Leh. Old Manali ist bei Hippie Backpackern sehr beliebt, eigentlich gar nicht unser Ding, aber wir sind etwas außerhalb der Saison hier, daher ist es relativ gechilled. Nachdem wir den ersten verregneten Vormittag in unserem Zimmer unter der warmen Bettdecke ausgesessen haben, trauen wir uns doch noch ganz hoch zum obersten Cafe in der Altstadt. Der mühsame Aufstieg wird belohnt. Die Sonne kommt raus und Essen und Aussicht können überzeugen.

Eigentlich wollten wir gar nicht hier sein, aber unsere geplante Route durch Lahaul und Spiti ist nach dem späten, heftigen Monsun für Motorräder noch nicht wieder befahrbar oder zumindest nicht empfehlenswert. Die Abzweigung ins Tal kurz vor dem Rohtang war jedenfalls schlammig und verschneit und nicht verlockend. Jetzt sitzen wir also hier und müssen uns was anderes überlegen. Auf das Spiti Tal hatten wir uns, wie auch auf das Nubra Valley, ganz besonders gefreut. Aber immerhin haben wir es nach Manali geschafft und mussten nicht den ganzen langen Weg über Jammu zurückfahren. Offensichtlich sind wir etwas spät im Jahr dran, allerdings hatten wir den frühesten Schnee seit 20 Jahren! Im Gebirge ist das Wetter halt schwer vorherzusagen. Andrerseits ist mir nicht ganz klar, wann eigentlich die beste Reisezeit für Ladakh ist. Im Frühling liegt noch Schnee, dann hat man vom Schmelzwasser tiefe Wasserdurchfahrten und kaputte Straßen vom Winter, danach ist Regenzeit mit noch mehr Wasser, Erdrutschen, Steinschlag und Lawinen und sobald der Monsun vorbei ist kommt nach wenigen Wochen der Winter.
Jetzt sitzen wir allerdings hier in Manali, futtern uns von oben nach unten durch die Cafés und Restaurants und machen umgeben von knatternden Enfields Touri Urlaub. Auf Motorradfahren haben wir grad gar keine Lust und abgesehen davon wissen wir auch nicht so recht wohin und die Straße nach Süden ist eh grad immer wieder, manchmal sogar für Tage gesperrt um die Unwetterschäden zu beseitigen. Für Ende der Woche haben wir uns zu einem „Motostay“ (couchsurfing für Motorradfahrer) ein paar hundert Kilometer weiter eingeladen. Die Zeit bis da müssen wir jetzt irgendwie überbrücken. Als die Wetteraussichten für Manali schlechter werden, überwinden wir uns und fahren weiter ins Parvati Valley.  Hier soll es auch nette Hippi-Kiffer-Dörfer geben. Die Strecke ist landschaftlich ganz nett und auch die Straße und der Verkehr sind nicht allzu schlimm, aber irgendwie will keine rechte Fahrfreude aufkommen und auch zum Fotografieren fehlt mir die Lust. Als wir dann in Kasol ankommen, gefällt es uns gar nicht,  wir fühlen uns nicht wohl und finden keine Unterkunft die in unserem Budget liegt, uns gefällt und Parkplätze hat. Der ganze Ort schaut aus wie eine riesige Baustelle, die aber vor Fertigstellung schon wieder halb verfallen ist. So ne Art Berliner Flughafen, der von Obdachlosen und Möchte-gern-Hippies besetzt wurde. Wir fahren auf unsrer Unterkunftssuche immer weiter und erreichen bei letztem Tageslicht Manikaran, einen beliebten Wallfahrtsort mit erstaunlich wenig Unterkünften. Am Busbahnhof finden wir dann doch noch was und bekommen auf Nachfrage sogar ein frisches Bettlaken. Die Decken sind üblicherweise nicht bezogen, aber da nehmen wir bei den frischen Temperaturen eh unsere Schlafsäcke. Nach ein paar leckeren tibetischen Momos, gefüllten Teigtaschen, die es in frittiert und gedämpft gibt, laufen wir auf der anderen Flussseite noch durch die Gassen. Am Ende befürchten wir schon den ganzen Weg zurück zu müssen, da wir die Brücke auf die andere Seite zwar sehen, aber nicht finden können. Der Zugang ist auch gut versteckt und führt mitten durch den Tempel und vorbei an den unterirdischen Badebecken der heißen Quellen. Abgefahren!

Die nächsten Tage läuft es weiter nicht so recht. Die Sträßchen sind zwar nett und erfreulicherweise in gutem Zustand oder frisch fertiggestellt, was besonders an dem ein oder anderen steilen Pass sehr angenehm ist, aber immer dann wenn wir sie bräuchten keine Unterkunft. Wir können doch nicht schon nach dem Mittagessen zu fahren aufhören, nur weil da grad ein Hotel wär. Campen ist keine Option, bei allem Talent schöne Plätze zu finden steht hier an jedem ebenen Fleck schon was und selbst die Bushaltestellen am Straßenrand sind auf Stelzen gebaut. Wenn wir dann doch was finden, lassen wir uns meist abzocken, fehlendes Feilsch-Talent unsrerseits gepaart mit mangelnden Alternativen sind halt auch eine schlechte Verhandlungsbasis. Am zweiten Tag wird es dann besonders ungemütlich. Zwar kommen wir gut über den heutigen „gute Abend Pass“, aber im auserkorenen Zielort Hatkoti, einem kleinen Wallfahrtsort, sind alle Unterkünfte restlos ausgebucht, da gerade ein Volksfest stattfindet. Auch die Zufahrtsstraßen sind verstopft und mit der Suche und dem ganzen hin und her Fahren wird es mal wieder dunkel. Ich erinnere mich an ein Guesthouse-Schild einige Kilometer den Pass zurück, aber bei Dunkelheit übersehen wir es natürlich und fahren erstmal dran vorbei. Als wir es endlich finden, handelt es sich dann leider um kein Guesthouse sondern lediglich um ein Werbeschild. Wir haben keine Wahl, also weiter nach Rohru und hoffen, dass es dort bezahlbare und freie Zimmer hat. Wir tasten uns bei Nacht nur langsam vorwärts. Jeder fährt mit Fernlicht und Hindernisse auf der Straße sind nicht die Ausnahme sondern die Regel. Wenn uns mal ein Auto überholt könnt ich mich kurz dranhängen um besser zu sehen, aber dann häng ich Suse ab, da sie nachts noch schlechter sieht als ich. Wir wir diese Nachtfahrten hassen. Im Hotel lassen sie dann wenigstens mit sich handeln und wir bekommen ein „Einzelzimmer“, darf halt nur einer einchecken und es gibt nur ein Handtuch, das Zimmer macht keinen Unterschied. Das gesparte Geld investieren wir dann in der Hotelbar sofort in ein kaltes Bier – das haben wir uns heute redlich verdient.

Für den nächsten Tag suchen wir uns vorsorglich ein paar Unterkünfte raus. Viel Auswahl gibt es nicht, aber nach ca. 100km – und das reicht bei den kleinen Straßen hier dicke – gibt es eine Ortschaft mit einigen Unterkünften.
Aber alle Planung hilft nichts wenn es sich, wie im Fall von Chakrata, um ein Militärsperrgebiet handelt. Unterkünfte „nur für Inder“.  Wir werden überall abgelehnt und das Militär schickt uns weiter. Na super. Die eine Hälfte der Straßen dürfen wir nicht befahren, der eine oder andere scheint sogar etwas verwundert zu sein, dass wir überhaupt hier sind und durch die ganze erneute Sucherei ist es schon wieder kurz vor Sonnenuntergang. Scheiß kurze Tage. Um 6 ist es schon dunkel. Aber früh aufstehen ist auch keine Option. Schlecht gelaunt malen wir uns schon aus wie wir uns ein Bushaltehäuschen für die Nacht mit Kühen teilen, als wir exakt zum Sonnenuntergang ein aus drei Häusern bestehendes Kaff erreichen und zwei der Häuser sind Hotels. Volltreffer, denken wir. Nur so „billig“ wie am Straßenrand angekündigt sind sie bei weitem nicht. Kein Strom, Kein Wifi, keine warme Dusche, brutal harte dünne Matratzen, garantiert frisch gewaschene Bettlaken, ne verschissen Toilette – was will man mehr.

Für die 60 km nach Masuri brauchen wir dann noch den ganzen Vormittag. Der Verkehr wird immer dichter und für die Mall, die Einkaufsstraße, müssen wir mal wieder Maut zahlen. Ich wär zwar den einheimischen Moppeds hinterher in Gegenrichtung durch die offene Schranke gflutscht, aber Suse hats nimmer geschafft. Durch s Getümmel und steile enge Gassen erreichen wir Anil’s Cafe in Chardukan, das uns empfohlen wurde. Bei besserer Sicht könnte man auf dem anschließenden Panoramaweg das halbe Himalaya bestaunen – so gibts halt nur lecker Pancake und Ginger-Lemon-Honey Tee. Für die letzten 30 km nach und durch Dehradun zu unserem „Motostay“ brauchen wir nochmal fast 2 1/2 Stunden. Mit dem Verkehr kommen wir zwar gut zurecht, aber überholen tun wir halt nicht ganz so lebensmüde wir die Einheimischen.
Nach einem Begrüßungstee heißt es erstmal wieder aufbrechen bevor es dunkel wird. Heute wird erstmal gezeltet. Die Familie hat einen Obstgarten und Pranav hat ein paar seiner Motorradkumpels zum gemeinsamen Camping eingeladen. Der „Orchard“ ist erfreulich nah, hat aber auch den Nachteil dass er nicht irgendwo im Grünen ist, sondern zwischen den Häusern, da die Stadt in den letzten Jahren erheblich gewachsen ist. Indien und wild zelten, davon hat man ja noch nicht viel gutes gehört, aber andrerseits leistet uns ein Motorradclub Gesellschaft und viele der anderen Vorurteile haben sich auch noch nicht bestätigt. Wir bauen also die Zelte auf, machen mal wieder ein Lagerfeuer und dann beginnen die Jungs am 3 flammigen Kochfeuer zu kochen, zu grillen und Brot zu backen. Alles verdammt lecker. Als wir gerade satt sind tischen sie dann noch richtig auf. Bisher wären das ja nur „Häppchen“ gewesen. So sitzen wir dann noch bei reichlich Bier und Whisky-Cola die halbe Nacht ums Feuer bevor wir uns irgendwann in unser Zelt verkriechen.

Da die eigentlich für uns geplante Unterkunft bei einem Onkel aufgrund der Hochzeitssaison ausgebucht ist, bekommen wir das Wohnzimmer und Pranav zieht zu seinen Eltern und seinem Bruder ins andere Zimmer.
So schnell wollen sie uns nicht mehr weglassen, jetzt da wir schonmal da sind. Heute ist allerdings erstmal Dusheera, ein Feiertag, bei dem u.A Verteidigungs-Waffen und Notizbücher „gesegnet“ werden. Nach der Zeremonie gibt es erstmal Frühstück. Überhaupt gibt es hier ständig was zu essen und die Mutti freut sich, dass sie zwei hungrige Mäuler mehr stopfen kann, auch wenn wir zwischen den Mahlzeiten kaum mal Zeit haben hungrig zu werden. Wir sind zu Gast in einem streng vegetarischen Haus und ganz begeistert von der vielfältigen Hausmannskost. Selten steht nur ein Gericht auf dem Tisch und bereits zum Frühstück gibt es etwas Deftiges, oft mit frischem „Brot“. Ganz besonders hat die Mutti Suse ins Herz geschlossen als sie erfährt dass diese auch seit Jahren vegetarisch isst.

Abgesehen von Essen und zahlreichen Einladungen und Familienfeiern verbringen wir die nächsten Tage mit Ersatzteilbesorgungen. Da wir genötigt wurden unsere Motorräder zu waschen, bemerken wir, dass unsere vorderen Kettenritzel nach gerade mal 25Tkm beinahe komplett verschlissen sind. Bisher hatten diese mindestens 3 mal so lang gehalten. Vermutlich liegt das an unseren für diese Reise neu montierten Scott-Oilern. Hinter den Ritzel-Abdeckungen hatte sich durch das Öl einfach zu viel Dreck angesammelt. Mangelnde Pflege tut dann noch sein Übriges, dabei hatten wir die Kette sogar hin und wieder gereinigt. Nur halt zu lange nicht hinter die Abdeckung geschaut. Neue Ritzel können wir in Indien nicht bekommen und selbst eine neue Kette können wir nicht mal bei Suzuki Big-Bikes bestellen. Sie vertreiben zwar Modelle die auch 525er Ketten drauf ham, haben aber keine Verschleißteile.

  
Nach nur 5 Tagen Suche bekommen wir aber den Tipp, dass die 500er Enfields mit 530er Ketten fahren. Die sind zwar zu kurz und zu breit, aber verlängern könne man sie ja, und die 1,6mm zu breit sollten kein Problem sein. Bleibt nur noch das Problem mit dem Ritzel. Da haben unsere Gastgeber aber auch schon jemanden drauf angesetzt. Passender Stahl zum aus dem Vollen Fräsen ist nicht erhältlich, dafür aber ein paar Ritzel die fast die richtige Größe haben, nur die Innenform für die Antriebswelle passt nicht.  Der erste Versuch eines der neuen Ritzel anzupassen misslingt nach 2 Tagen, aber nach weiteren 3 Tagen können wir den Prototypen abends abholen.  Der Preis ist zwar weit von „günstig“ entfernt und wie die Qualität ist, wird sich erweisen müssen, aber was sollen wir machen. 2 Tage waren die Jungs jetzt damit beschäftigt und eine Alternative können wir so schnell nicht auftreiben. Das zweite bestellen wir allerdings wieder ab, da es kaum teurer ist, sich eines aus Deutschland per Kurier schicken zu lassen. Kaum „daheim“ dann aber die Enttäuschung. Die Verzahnung ist nicht exakt genug ausgefeilt. Passt nicht auf die Antriebswelle. Also gleich nochmal in den Feierabendverkehr gestürzt, und diesmal das ganze Mopped vorbeigebracht. Nach den letzten Tagen in Dehradun kommen wir mit dem indischen Verkehr mittlerweile sogar bei Nacht gut zurecht. Das deutsche Sprichwort „Augen zu und durch“ hat vermutlich das indische Äquivalent „was ich nicht seh, ist auch nicht da“.
Leider geht seit einigen Tagen mein Motorrad bei jeder Bremsung, bei der ich die Kupplung ziehen muss, aus. Das Vergaser / Schwimmerkammer verstellen in Osh hat zwar für die hohen Pässe gut funktioniert. Aber jetzt muss ich das ganze wieder rückgängig machen und auch die Leerlaufdüse neu einstellen.
„Bis morgen Mittag“, so heißt es, bekommen sie das Ritzel dann vollends hin, der Mechaniker habe heute schon Feierabend gemacht. Aber kaum, also eine knappe halbe Stunde für 6 km später,  sind wir wieder daheim und wollen los auf einen „Polterabend“; kommt der Anruf, dass das Ritzel jetzt passt und bereits montiert ist.  Also schnell wieder los, bevor sie den Laden für heute dicht machen. Der Verkehr hat auch nachgelassen und so tauchen wir wenig später mit zwei Motorrädern beim  „Vor-Hochzeits-Puja“ (Gebet) auf. Das nur im engsten Kreis, also vielleicht mit 100 Leuten gefeiert wird. Zur eigentlichen Hochzeit 4 Wochen später werden dann mindesten 1000 Gäste erwartet – und das ist hierzulande auch noch nicht viel!

Nebenbei hab ichs sogar noch geschafft mein Lenkkopflager nachzustellen und eine neue Batterie zu besorgen. Das Lenkerflattern war mir die letzten Tage bei den besser werdenden Strassen immer mehr aufgefallen und auch die bei Kälte schon schwächelnde Batterie war während der Probefahrt und den vielen Neustarts irgendwann leergesaugt.
Mal schaun ob die neue indische Batterie besser ist, ohne laufenden Motor hupen kann ich auch mit der nicht und hupen ist lebenswichtig in diesem Land.

Jetzt da wir wieder fahrfähig sind können wir weiterziehen. Zum Abschied werden wir noch eingeladen zu Divali, dem Lichterfest nochmal vorbeizukommen, da würd es erst mal richtig gutes Essen geben und da wir mittlerweile ja schon zur Familie gehören – und überhaupt sollten wir uns das auf keinen Fall entgehen lassen.
Einmal mehr sind wir überwältigt von der Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft die wir immer wieder erleben dürfen. Verlockend wäre das Angebot ja schon aber eigentlich wollten wir in zwei Wochen schon ganz woanders sein. Mal schaun. Wir wissen ja noch nicht mal was wir die nächsten Tage machen sollen!

  2 Antworten zu “Durchhänger in Indien”

  1. Erinnert mich stark an „Jupiters Fahrt“ von Ted Simons – der hatte in Indien auch seinen großen Durchhänger!
    Und das mit der Hupe hatte ich euch ja bereits angekündigt… 😉

    Gute Fahrt euch weiterhin & passt auf euch auf!

  2. Sehr lesenswert, danke für den Blog! Selbst bin ich aber nicht unfroh, daß ich Indien schon hinter mir habe. Die Saison für Ladakh ist genau der Monsun, weil es der Niederschlag kaum über den Rotang, und praktisch nie über den Baralacha La schafft. Also von, sagen wir, mitte Juni bis Anfang Oktober.
    Wenn ihr jetzt weiterfahrt nach Nepal, dann kehrt bei meinem Kumpel Johnny Sparshatt in der Wildtrak Lodge in Bardia NP ein.Beste chance auf Tiger gucken! Elefanten und Nashörner gibts sowieso. Die Tage im Park sind nicht ganz billig, aber die Unterkunft und das Essen schon, da kann man etwas ausspannen bevor es über Lumbini und Pokhara nach Kathmandu geht 😉
    Ich finde seine Webseite nicht, aber hier ist sein FB link:
    https://www.facebook.com/WildTrakAdventure/
    https://www.facebook.com/johnny.sparshatt

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